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Frankfurter Rundschau 7/04
Standleitung ins Unendliche
Schallplattenkonzert mit Blank
VON HANS-JÜRGEN LINKE
Musikinstrumente bestehen heute häufig aus Hardware und Software.
Obwohl es schon merkwürdig ist, japanische Billig-plattenspieler
"Hardware" zu nennen, drei identische Vinyl-Schallplatten "Software"
und alles zusammen "Musikinstrument". Wir müssen also ein
bisschen ausholen.
Zum Beispiel: Was ist drauf auf der Platte? Auf der Platte sind 240 Loops,
also Musik-Endlosschleifen, die bei einer Abspielgeschwindigkeit von 33
Umdrehungen pro Minute jeweils 1,8 Sekunden dauern. Sie sind nach streng
gehandhabtem Zufallsprinzip (also nicht nach Ähnlichkeit in Klang
und Material) in sechs Gruppen gegliedert. Das Besondere an dieser LP
ist, dass sie nicht eine einzige spiralförmige Rille hat, sondern
240 konzentrische Kreise, so dass man sie nicht einfach abspielen und
nicht auf CD kopieren kann. Urheber dieses kleinen Wunders, das den stolzen
Titel Duden trägt, ist das Trio Blank, bestehend aus Rüdiger
Carl, Oliver Augst und Christoph Korn.
Kein Geheimnis
Das Konzert, das jetzt in der Frankfurter Galerie Grässlin zu erleben
war, spielt mit dem begrenzten Materialvorrat der 240 Loops und den begrenzten
technischen Möglichkeiten dreier Plattenspieler und errichtet damit
eine Standleitung ins Unendliche.
Die drei Musiker tun nichts weiter als verabredungsgemäß ("wir
fangen an mit der Fünf, spielen dann die Drei, und dann die Sechs")
Tonarme aufzulegen und die Plattenspieler zu manipulieren: schneller,
langsamer, lauter, leiser, bremsen, beschleunigen, rhythmisch oder auch
betont unrhythmisch, Plattenspieler anheben und schütteln, mit der
Faust auf den Tisch hauen und was sie sich sonst noch alles an Spieltechniken
erschlossen haben - ein kurzweiliges und enorm musikalisches Spiel mit
Zufall, Fantasie, Verabredung und Gruppendynamik. Zwischendurch verständigen
sie sich verbal, versuchen durchaus auch, wenn sie den gleichen Loop erwischt
haben, ihn zu synchronisieren und zugleich die Synchronisierung zu sabotieren.
Das Konzert kommt dabei ohne Geheimnisse aus: Es gibt keine Virtuosität,
keine live-Elektronik-Tüftelei, keine fürs Publikum unsichtbaren
Klangquellen, und jeder der 240 Loops enthält in sich schon das komplette
Konzept jeglicher Lounge- und Ambient-Music. Material und Manipulation
sind wie auf der Benutzeroberfläche versammelt und setzen sich unmittelbar
in Klang um, mal in behutsamen Variationen, manchmal mit einem abrupten
Riesenschritt in eine andere Welt.
Blank Plays Duden: Die 240-fache Endlos-LP gibt es bei www.a-musik.com
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